Plädoyer für Hundebesuche im Altenheim

Der Bericht ist entnommen aus:

Von Ursula Fleig

 

Ich habe eine Hündin, die die Menschen mag, die menschliche Hände als streichelnde Hände definiert hat und die auf fast jeden Menschen freudig zugeht. Distanzlos werden die einen sie nennen; mir gefällt sie.

Ninni geht als Besuchshund einmal pro Woche ins Altenheim. Unser Altenheim hat eine kleine Anzahl von orientierten Bewohnern, die Majorität ist jedoch schwerst demenzkrank.

 

Die orientierten Bewohner besuchen wir einzeln: die einen wollen hauptsächlich Ninni streicheln, die anderen nehmen ihren Anwesenheit dazu sich zu erinnern. Sich zu erinnern an längst vergangene, eigene Hunde der Kindheit oder frühen Erwachsenenzeit. Hunde, die auf dem Bauernhof lebten und für verschiedene Aufgaben gehalten wurden: die Jagdhunde, die Treiberhunde und der Wachhund. Und an die Hunde, die als Familienmitglieder galten. So wie der Bernhardiner, mit dem man vor sechzig Jahren das Leben und das Sofa teilte, der Uniformierte anging und im Krieg auf der Flucht zurückgelassen werden musste. Auf den alten Schwarz-Weiß-Fotografien sieht er aus wie Barry.

 

Die an Demenz-Erkrankten besuchen wir mit fachlicher Begleitung. Da sitzen sie in ihren Rollstühlen in ihrer Welt mit wenig Zugang zu unserer Welt. Und dann kommt Ninni in den Raum und für kurze Zeit verbinden sich die beiden Welten. Ihre Anwesenheit führt zu einer Fokussierung auf das Jetzt. Nicht immer, aber oft. Die einen lachen bei ihrem Anblick, rufen sie mit den Namen ihrer früheren Hunde und streicheln sie. Bei den Anderen, den Leisen, Traurigen, fast Regungslosen übernimmt meine Hündin die Initiative der Kontaktaufnahme. Zu diesen geht sie hin und leckt ihnen die Hände und irgendwann versuchen diese Hände sie zu streicheln.

 

Und dann ist da noch der alte Herr, der bewegungslos in seinem Rollstuhl sitzt und seine Umwelt kaum noch wahrnimmt. Der nicht mehr weiß, ob er je einen Hund hatte. Aber er weiß noch, wie man einen Hund auf sich aufmerksam macht und an welchen Körperstellen Hunde sich gerne kraulen lassen. Und so geht Ninni zu ihm, legt ihren dicken Kopf auf seine Oberschenkel und der alte Herr streichelt sie minutenlang hinter den Ohren. Wohliges Grunzen auf beiden Seiten.

 

Damit so ein Besuch für Mensch und Hund positiv abläuft sollte man folgendes beachten: Der Hundehalter muss darauf achten, dass die Besuche den Hund nicht überfordern. Für die Hunde kann ein solcher Besuch in Stress ausarten. Deshalb sollte der Besuch immer unter kontrollierten Bedingungen ablaufen. Für mich heißt das, dass ich meine Hündin beim Besuch nie unbeaufsichtigt lasse und mit dem Pflegepersonal sowie den Altenheimbewohnern konkrete Absprachen getroffen habe was die Länge des Besuchs, Anzahl der zu Besuchenden sowie das Füttern des Hundes angeht. Der Hund braucht ein Gesundheitszeugnis, das vom Tierarzt ausgestellt werden kann. Auf der Police der Hundehaftpflichtversicherung sollten die Besuche im Altenheim als mitversichert eingetragen werden.

Ein Besuchshund (nicht zu verwechseln mit Therapiehund) braucht keine besondere Ausbildung. Es sollte allerdings ein menschenfreundlicher, souveräner Hund mit Grundgehorsam sein, der sich auch von fremden Menschen unterschiedlichster Couleur gern anfassen lässt.

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© bei der Autorin 10/ 2006